Wer zahlt?
Wie ist eigentlich zu verstehen, daß ganz „selbstverständlich“ von einer immer älter werdenden Gesellschaft gesprochen wird und sofort die Lasten, die damit verbunden sind, ebenso „selbstverständlich“ auf die „immer weniger arbeitenden jüngeren Menschen“(stern) verteilt werden, anstatt logischerweise auch da die gesamte Gesellschaft zu fordern?
Gern wird die Vergangenheit bemüht, wenn man sich loben will für Erreichtes, für den Wiederaufbau nach dem verlorenen Krieg, für die Erhard´sche Formel vom Wohlstand für alle. Nachdem nun manche mehr und viele weniger erreicht haben, soll plötzlich angesichts einer „drohenden“ Zukunft der gesellschaftliche Konsens aufgekündigt werden. Und zwar unreflektiert, wie selbstverständlich.
Wenn eine Gesellschaft wie die Bundesrepublik Deutschland sich aus diversen Gründen im Wandel befindet, so darf doch dabei ein Grundkonsens, der auch schon in der „Ewigkeitsgarantie“ unseres Grundgesetzes vorgeschrieben ist, nicht verloren gehen: Das Sozialstaatsprinzip mit all seinen Erfordernissen ist zu achten und zu beachten.
Es geht nicht an, daß eine Regierung, die auf eben diese Verfassung ihren Amtseid ablegt, dabei das letztemal mit dem Grundgesetz in Berührung kommt, polemisch ausgedrückt in Erinnerung aqn Hermann Höcherl selig. Es ist und bleibt die Aufgabe dieses Staates, die Lasten gleichmäßig zu verteilen und gesellschaftlichen Wandel auch gesellschaftlich zu tragen.
Wenn man weiß, daß
– Menschen älter werden
– Diese länger Rente beziehen
– Auch höhere Krankheitskosten entstehen
Und
– Weniger Arbeitskräfte aus dem ungelernten Bereich an hochspezialisierten Arbeitsplätzen benötigt werden
– Trotzdem Umsätze, Gewinne etc. erreicht werden, die auch ein gesamtgesellschaftliches Ergebnis sind, so ist es doch naheliegend, den Begriff Produktivität hervorzuheben und für die entstehenden Belastungen und notwendigen Verteilungen als einen Maßstab heranzuziehen.
Logischerweise steigt der Anteil des Staates an Steigerungen
– Der Preise, also auch an Inlationsraten
– Der Gewinne (es sei denn, der Fiskus verzichtet aus übergeordneten Gründen, deren Vorliegen allerdings zu prüfen wäre)
– Des Mineralölverbrauchs (aha!) usw.
Selbst gestiegene Gesundheitskosten bringen wieder höhere Einnahmen, da Abgaben überall entstehen und es nur in der Verantwortung des Staates liegt, die notwendigen Einnahmen einigermaßen gerecht verteilt zu erzielen.
Schon überschlagsweise läßt sich danach sagen, daß bereits die Steuereinnahmen aus der Inflation allemal ausreichen, um z.B. die Rentengarantie für die 20 Mio. Rentner zu gewährleisten, ohne daß ein „jüngerer Arbeitnehmer“ etwas extra leisten muß, geschweige denn der bisher sehr zurückhaltende(!) Teil der Gesellschaft.
Es ist legitim, diesem Gesellschaftsteil auch eine weitergehende Belastung abzuverlangen. Dabei muß gar nicht von Einbußen die Rede sein, sondern vom Tragen des eigenen Anteils an Lasten des ganzen Staates.
Es muß ja gar nicht gleich die Vermögensabgabe auf englisches oder amerikanisches Niveau gehoben werden; aber es reicht auch nicht, sich auf die hohen Steuersätze der Einkommenssteuer zurückzuziehen.
Denn auch wenn die „Bild-Zeitung“ propagiert, daß „ die Reichen“ den Sozialstaat finanzieren über Steuern und Abgaben – „Das obere Zehntel der Einkommensbezieher zahlt 55% des gesamten Steueraufkommens“- , muß doch relativiert werden:
Die oberen 10% haben 38% Anteil am zu versteuernden Einkommen ( und 61% am Privatvermögen- das nur nebenbei) , auf das im Durchschnitt 36% Steuern gezahlt werden. Und da weitere Sozialstaatsabgaben (z.B. Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung) einkommensabhängig gedeckelt werden, ist bei diesen Zahlungen kein Reicher besonders belastet. Wer also 36% Steuern auf 38% Einkommensanteil des Gesamteinkommens bezahlt, kann nach Adam Riese nicht gleichzeitig den Sozialstaat und 55% des gesamten Steueraufkommens (BILD) finanzieren. Das geht schon beim Einkommen nicht, das auch nur ca. 30% der Gesamtsteuern generiert, und das geht erst recht nicht bei den auch zur Sozialstaatsfinanzierung herangezogenen Massensteuern wie Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer etc.
Zu Zeiten des „gemeinsamen Schulterschlusses“ haben die Arbeitnehmer verläßlich zum Aufbau größerer Vermögen beigetragen, indem sie der Industrie die Wettbewerbsfähigkeit erhielten und ihren Anteil am Wiederaufbau leisteten. Das trug mit höherem Konsum der ganzen Gesellschaft zum allgemeinen Wohlstand bei.
Wenn heute aus diversen Gründen die Erfordernisse sich geändert haben, ist es doch nicht unangebracht, daß auch die Enkel derjenigen, die das Vermögen angelegt haben, sich darauf besinnen, daß dieser Staat als ganzes die Rahmenbedingungen gab für das heute Erlangte und deshalb bei veränderten Bedingungen auch ein Anteil für die Enkel der damaligen Partner zu Recht fordern darf.
PS: Um zukunftsfähig zu sein, sollte das Steuerrecht generell vereinfacht werden – s. Merz, Kirchhoff u.a.-, Abzugsmöglichkeiten/Freibeträge sollten radikal beschnitten werden, alle Einkommensarten sollten in gleicher Weise herangezogen werden und soziale Verpflichtungen sollten überwiegend steuerfinanziert beglichen werden. Diesen Aufgaben muß sich ein verantwortungsvoller Staat stellen; Klientelpolitik ist jedenfalls das schlechteste, was eine Regierung in einem freiheitlichen und sozialen Rechtsstaat als ihre Aufgabe sehen kann.
PPS: um Zahlen ganz grob als Hausnummern zu nennen: z.B. 2010 war das BIP 2,5 Bill., davon rd. die Hälfte Arbeitnehmereinkünfte.: rd. 750 Mill. netto und der Rest für den „Staat“ über. 600 Mill. das Gesamtsteueraufkommen, davon über 200 Mill. Einkommenssteuer. Diese wird massgeblich von der oberen Hälfte der Haushalte -einkommensbezogen- erbracht.
Wenn plakativ 40 Millionen Haushalte 200 Milliarden zahlen und nun das oberste Zehntel 55% abgibt, also 110 Milliarden, dann heisst das , dass die “obersten” 4 Millionen Haushalte im Schnitt jeder 30.000,-EUR im Jahr zahlen.
Das oberste Zwanzigstel = 5% zahlt vom Gesamten gar über 40%, pro Haushalt also über 40.000,-EUR. Nach Adam Riese (schon wieder) folgt daraus aber auch, dass schon die zweiten 5% nur noch 40 Milliarden zahlen, also grob im Schnitt nur 20.000,-EUR. Und egal ob ein bisschen mehr oder weniger: Für die „stärksten Schultern“ unseres Staatswesens scheint mir das keine ungeheuerliche Belastung zu sein. Und wenn man dann auch noch weiss, dass die deutschen vermögensbezogenen Steuern nur ein 1/4 gleichartiger Steuern in Frankreich oder im Vereinigten Königreich = Grossbritannien betragen, von Erbschaftssteuern ganz zu schweigen, scheint eine weitere Heranziehung dieser Einkommen und/oder Vermögen nicht unziemlich zu sein, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass immer mehr Einnahmen trotz immer geringerem Personaleinsatz erzielt werden, also auch die gestiegene Produktivität einen Anteil für alle abgeben muss. Aber bevor nun „Maschinensteuer“ gerufen wird, lassen wir es mit diesen Ausführungen erst mal bewenden.